CW: Drogenmissbrauch, Suchtverhalten, Suizidgedanken
Richard ist ein komischer Kauz: Als ehemaliger Verleger ist er gerade arbeitslos und auf Cornwall-Urlaub im Haus eines befreundeten Professors. Alles was er dafür tun muss? Eine experimentelle
Droge nehmen, die ihn in die Zeit vor 400 Jahren versetzt und dem Prof Bericht erstatten.
Das Problem dabei? Seine Erlebnisse in der Vergangenheit scheinen auf realen Ereignissen zu beruhen und Richards Frau (die aus unerklärlichen Gründen in New York lebt und nicht bei ihm) will
für die Sommerferien mit ihren Söhnen vorbeikommen - doch dann kann Richard Gegenwart und Vergangenheit nicht mehr auseinanderhalten...
Das war du Mauriers vorletztes Buch und sie hat sich an eine Fantasy-Geschichte gewagt. Die ersten Seiten sind ziemlich verwirrend, lasst euch davon nicht abschrecken, wir steigen direkt ein. Leider ist Richard selbst ziemlich unsympathisch (bei dem Namen Dick kein Wunder): Er tut alles für seinen Professor und riskiert dabei Kopf und Kragen. Seine Frau ist die Art unerträgliche Amerika-Schickse, die mit Cornwall nur wenig anfangen kann - wieso die beiden verheiratet sind, wird nie erklärt und es erschließt sich mir überhaupt nicht, denn Richard würde sich vor ihrer Ankunft am liebsten in der Badewanne ertränken. Tolle Beziehung!
Die Trips in die Vergangenheit sind hingegen äußerst faszinierend und ich verstehe, wieso Richard bei seiner Gegenwart immer wieder dorthin zurückkehren will: Er begegnet nicht nur längst verstorbenen Menschen, er entdeckt auch inzwischen vergrabene und verschollene Gebäude und enthüllt nach und nach die Geschichte der ganzen Gegend. Sehr cool.
Nicht cool ist natürlich die daraus entstehende Abhängigkeit und Sucht nach der Reisedroge. Wenn ich mir das Zitat unten so betrachte, stelle ich fest: Ja, daraus besteht das Buch: Warten darauf, dass die Droge wirkt, warten auf das Abklingen der Nebenwirkungen, warten auf die Ankunft der ungeliebten Frau, warten auf die Informationen vom Prof, warten auf ungeliebte Gäste, die den Zeitplan durcheinanderwerfen... Richard ist ein äußerst passiver Charakter, selbst in der Vergangenheit geht er dahin, wo er von Roger hingezogen wird, ein reiner Beobachter.
Insgesamt also interessant, aber mein bisher ungeliebtester Maurier (abgesehen natürlich von den Kurzgeschichten). Vielleicht, weil der Hauptcharakter diesmal keine fesche, crossdressende Dame mit galoppierendem Mundwerk war. Als nächstes lese ich erstmal ihren Cornwall-Führer, bevor ich mich dann im Herbst "Rebecca" widmen werde.
"There are few strains more intolerable in life than waiting for the arrival of unwelcome guests."
~ 10.05.2023