Vielen Dank an Frau Puce für die Zusendung eines Rezensionsexemplars!
"Bad Feminist" enthält feministische Essays der amerikanisch-haitianischen Autorin Roxane Gay. Diese sind eigentlich schon 2014 erschienen, wurden aber erst jetzt auf Deutsch übersetzt. Frau Gay ist in mehrfacher Hinsicht "gestraft" und weiß daher, wovon sie spricht und über welche Zustände sie sich beschwert: sie ist eine Frau, sie ist nicht heterosexuell und sie hat eine dunkle Hautfarbe. Außerdem hat sie in ihrer Kindheit in Haiti erschreckende Armut erlebt und ist übergewichtig.
Die Essays sind in 4 Bereiche unterteilt: Texte über sie selbst, Artikel über Gender & Sexualität; Race & Entertainment; sowie Politik, Gender & Race.
In der ersten Hälfte des Buches rezensiert Roxane Gay größtenteils andere Bücher, Filme & Serien und teilt uns ihren Standpunkt zu diesen Machwerken mit. Einige davon kennt man auch in Deutschland, aber viele Titel sagten mir nichts, von daher war es eher anstrengend, sich mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten ein Bild von den Werken zu machen.
Ganz kompliziert wird es, wenn sie von ihrem eigenen ersten Roman spricht - der noch gar nicht erschienen ist. Als sie dann mal eine Serie über den Klee lobt, erwähnt sie deren Namen nicht. Hilfreich. (Sie sagt auch Amy Winehouses Name nicht, aber den hab ich immerhin erkannt.)
Doch genug gejammert - einige Texte haben mich auch richtiggehend begeistert. Hier meine Lieblinge:
"Schenken Sie dem kulturellen Mythos keinen Glauben mehr, nach dem weibliche Freundschaften zickig, giftig oder kompetitiv sein müssen. Dieser Mythos ist wie High Heels und Handtaschen - hübsch, aber dazu gemacht, Frauen zu BREMSEN."
"Frauen lesen die Bücher, die von Männern über Männer geschrieben werden, aber für Männer gilt nicht das Umgekehrte.
Die Romane von Männern über das Leben in der Vorstadt (Franzen) sind Gesellschaftsromane;
die Romane von Frauen über das Leben in der Vorstadt (Wolitzer) handeln von Frauen."
"Fifty Shades verhält sich zu BDSM wie McDonald's zu richtigem Essen."
"Ich bin lieber eine schlechte als gar keine Feministin."
Die Texte sind meist nicht sehr lang - das ist bei den teils schweren Themen auch besser so. Dadurch kann man nach jedem Essay erstmal durchatmen und das Gelesene sacken lassen.
Was mich interessiert hätte, wäre eine Art Glossar der Übersetzerin gewesen; wieso sie manche Wörter englisch belassen hat, obwohl es durchaus wohlklingende deutsche Pendants gegeben hätte oder wieso weiß (als Hautfarbe) immer kursiv und klein geschrieben wurde (einmal sogar, obwohl wissen gemeint ist), und Schwarz immer groß (ich weiß das zufällig seit 2 Monaten, aber bestimmt nicht jede*r Leser*in).
Was mich außerdem begeistert hätte, wäre ein ordentliches Korrektorat. Wenn man schon so lange wartet, einen Text zu übersetzen, kann man auch noch zwei Wochen für ein Abschlusskorrektorat investieren. Das hat meine Leselaune leider etwas getrübt.
Dennoch - ein wichtiges Werk unserer Zeit mit einmalig vielen Perspektiven aus einer Hand.
"Qui tacet consentire videtur ~ Wer schweigt, stimmt zu."