Also, die Fettnäpfchenführer sind in unserem Haus ja schon fest vor Reisen etabliert. Sie laufen immer nach demselben Prinzip ab: Jemand fährt zum ersten Mal in ein unbekanntes Land und benimmt sich dort wie der letzte Vollhonk, weil er*sie keine Ahnung von lokalen Bräuchen und Gepflogenheiten hat. Doch wie macht man das bei Weihnachten, einem Fest, das überall auf der Welt gefeiert wird? Tja, da wurden Frau Luck und der Verlag kreativ, denn es entspinnt sich ein Science-Fiction-Epos, in dem Gurian Hollerbach aus dem Jahr 2226 zu seinen Ahnen 2019 reist, um Nachforschungen zum in seiner Zeit verlorenen Weihnachtsfest anzustellen. Dabei lernen er und die Lesenden allerlei Bräuche aus Deutschland und der Welt kennen - ob das alles immer so logisch ist, bei einem magischen Kind in einem Stall, sei erstmal dahingestellt. Der arme Gurian schlägt sich jedenfalls tapfer.
Ich weiß, sie brauchten eine Prämisse, um all die Absonderlichkeiten um Weihnachten einer außenstehenden Person näherbringen zu können, aber alles was ich sehe, sind die Wissenschaftler*innen im Jahr 2226, wie sie Jack-Skellington-Experimente durchführen und so ratlos sind, dass ihnen nix anderes übrig bleibt, als das selbst zu erkunden. "Interessante Reaktion, aber was bedeutet sie???" XD
Das Buch selbst ist passend gestaltet: komplettes Goldcover und dunkelgrüne Vorsatzblätter. Praktischerweise gibt es 24 Kapitel, sodass man das Buch auch als Adventskalender benutzen könnte. Zur Übersicht gibt es diese Themen, die auch auf dem beigelegten Lesezeichen aufgeführt werden:
Dabei folgen wir dem bekannten Prinzip: Eine Familiensituation wird dargestellt, die Gurian zu meistern versucht und hoffnungslos versagt. Wir bekommen dann in der Rubrik "Oh du Peinliche" die Hintergründe und ggfs. lokale Unterschiede erklärt. Sporadisch gibt es dann noch Infokästen zu Rekorden, Besonderheiten oder Traditionen in anderen Ländern. Auch ein Tannen-Kauf-Ratgeber, ein Bullshit-Bingo für Kaffeekränzchen bei Oma und Geschenktipps für Wichteln für fremde Menschen sind darunter, alles sehr praktisch und hilfreich. Mir hat der Teil zu den Weihnachtsliedern gefallen. Ich finde es immer schrecklich, wenn Leute nicht auf den Text hören und dann sagen "Das ist sooo romantisch" oder "Das ist sooo schööön" und dabei geht es um Trennungen und Mord und Elend auf der Welt.
Ich fand die Traditionen aus anderen Ländern besonders spannend, aber wirklich fasziniert haben mich diese Regelungen, denen sich auch Gurian unverständlicherweise unterwerfen muss. Als sei es nicht abstrus genug, dass wir ein Kleinkind feiern, das eventuell vor 2000 Jahren im Sommer geboren wurde. Mein Mann kommt aus einem polnisch-katholischen Haushalt, meine Mutter ist Christin und dennoch habe ich von einem Großteil der Regeln, die Frau Hollerbach da aufstellt, noch nie gehört. In Zeiten von Scheidungen und Patchwork-Familien ist ja auch vieles nicht mehr so streng, aber ich habe das Gefühl, wir sind besonders lax. Wir essen, was uns gefällt, wann es uns passt und wir reden miteinander - wenn wir mal daheim bleiben wollen und keinen sehen möchten oder keine Geschenke im Budget sind, geht das auch. Kein Drama, kein achduje.
Hier mal unsere Adventszeit:
Das interessiert mich jetzt - wie läuft das bei euch ab? Seid ihr total traditionell? Total religiös? Total locker? Was gehört für euch unbedingt dazu, um in Stimmung zu kommen?
~ 04.12.2020