Ebenso wie Laura James, mit der wir uns letzte Woche beschäftigten, erfuhr Clara Törnvall erst später im Leben, dass sie autistisch ist. Im Gegensatz zu Laura lebt Clara jedoch in Schweden und sie und hat ihre Recherchen exklusiv auf die Erforschung weiblicher Probleme beschränkt. Aktuell gibt es nicht mal einen Autismus-Test für Frauen, die Fragen beziehen sich alle auf männliche Interessen. Aufgrund dieser Besonderheit wurde das Buch in 12 Sprachen übersetzt.
"Eine autistische Frau, die eine Doktorarbeit in theoretischer Philosophie schreiben kann, aber immer wieder neu überlegen muss, wie man eigentlich eine Scheibe Brot abschneidet, ist dagegen eine seltene Figur im kollektiven Bewusstsein. Eine Frau, die Teetassen sammelt und sich einen ganzen Tag ausruhen muss, nachdem sie sich mit Freunden getroffen hat. Die Tiere liebt, jeglichen Blickkontakt mit Menschen dagegen meidet. Um sie geht es in diesem Buch. Um Frauen mit hochfunktionalem Autismus."
Frau Törnvall beginnt in der Kindheit, räumt mit den gefühllosen Kühlschrankmüttern und Impf-Autismus auf und erklärt, wie es nach den ersten gehäuften Diagnosen zu diversen Gerüchten zu der Krankheit kam. Sie enthüllt Unterschiede in der Denkweise und auch Funktionsweise von neurotypischen und autistischen Gehirnen. Immer wieder verwebt sie medizinische Fakten und Forschung mit den Geschichten autistischer Frauen aus Gegenwart und Vergangenheit - so bleibt die Erzählung spannend und man liest es schnell durch. Ob die Fallbeispiele der Vergangenheit so verlässlich sind, würde ich eher vorsichtig betrachten.
Wie ihr an den unzähligen Zetteln sehen könnt, habe ich auch für mich einige Bezugspunkte in dieser neuen Darstellung gefunden sowie viele weiterführende Lektüre, die ich mir ansehen möchte. Besonders der Abschnitt über die Funktionsweise des Gehirns und die Probleme bei Bewerbungen haben mir aus der Seele gesprochen. Hoffentlich hilft dieses Buch einigen Frauen, sich mehr damit zu beschäftigen und die richtigen Ärzte für ihre Bedürfnisse zu finden. Leider gibt es keine Tipps zur Diagnose in Deutschland, das hätte am Ende noch perfekt abgerundet.
"Ich bin nicht beeinträchtigt, ich werde beeinträchtigt."
~ 04.04.2024